Buchrezension: Erzähler der Nacht – Rafik Schami

Mehr als nur eine Geschichte:

Die Geräusche von lebhaftem Zusammensitzen im Ohr, den Duft von Sonne im Haar und der Geschmack nach starkem Kaffee im Mund – diese Sinneseindrücke überkommen Dich sobald Du die erste Seite von „Erzähler der Nacht“ von Rafik Schami aufschlägst.

Wir befinden uns in Syrien, genauer in Damaskus im Jahr 1959. Hier lebt der alte Kutscher Salim, dessen ungebrochener Erfolg als Kutscher auf ein ganz besonderes Talent zurückzuführen ist: seine Fähigkeit Geschichten zu erzählen. Sie berühren die Menschen in ihrem Innersten. Zu jedem Anlass und jedem Thema hat der Kutscher eine Geschichte parat. Mit ihnen kann er seine Zuhörer in Staunen versetzen, sie weinen oder lachen lassen. Bei ihm wird jeder zu einem kleinen Kind, dass einfach nur zuhört und die Welt neu kennenlernt.

Eines Tages aber verstummt der Kutscher. Doch es gibt Hoffnung: Wenn Salim sieben einmalige Geschenke in drei Monaten bekommt, erhält er seine Sprache zurück und seine Geschichten werden wieder so magisch sein wie zuvor.

Mit seinen letzten Worten berichtet der Kutscher seinen sieben Freunden und diese machen sich sofort daran ihm zu helfen. Aber keine sieben Einladungen, keine sieben Weine und keine sieben Reisen können Salim die Sprache zurückbringen. Und als nur noch acht Tage übrig sind, kommen seine Freunde auf die Idee: Natürlich können nur sieben Geschichten den alten Kutscher retten!

Und so werden aus einer Geschichte noch sieben weitere geboren.

“Heute kann ich ein kleines Geheimnis verraten: Ich wollte einmal alle Möglichkeiten des Erzählens in einer Geschichte versammeln. Zunächst hielt ich das für unmöglich, aber nach vielen Versuchen ist es mir gelungen, alle auf der Erde bekannten Erzählkünste in diesem Buch zu verstecken. Nicht einmal die Art, wie das Feuer dem Holz erzählt, ist mir entkommen.” – Rafik Schami

Über Rafik Schami:

Der Autor wurde 1946 in Damaskus geboren. Im Jahr 1971 wanderte er nach Deutschland aus. Nach seinem Chemiestudium widmete er sich ab 1982 seiner Leidenschaft dem Schreiben. Heute zählt er mit etlichen Preisen zu den bedeutendsten deutschen Autoren. Seine Bücher sind bereits in 24 Sprachen erschienen. Schon seit 2002 ist er Mitglied der Bayerischen Akademie der Künste.

Sein Buch „Erzähler der Nacht“ wurde in 18 Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet.

Darum lieben wir “Erzähler der Nacht”:

Für Liebhaber von bildgewaltigen Büchern ist „Erzähler der Nacht“ eine wahre Fundgrube. Die Liebe zum Detail überträgt sich aus dem Inhalt in das Buch selbst und schlägt sich bereits in den Kapitelüberschriften nieder. Obwohl jede Erzählung ein kleines Meisterwerk ist, geht die Haupthandlung nicht unter. Auf diese Art und Weise zeichnet Rafik Schami die mit vielen Klischees gespickten Charaktere, in die man sich einfach verlieben muss. Durch die unterschiedlichen Erzählperspektiven wird jede Geschichte auf ihre ganz persönliche Art und Weise ausgeschmückt. Dadurch wirkt das Buch trotzdem kurzweilig. Und am Ende findet sich häufig eine kleine Moral – wie das eben zu einem Märchen dazugehört.